Bericht „61. Europäische Jugendwoche auf Burg Ludwigstein“ (Christian Blasi in „Ludwigsteiner Blätter“ Sept. 2019)

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„Hey ya, hey ya!“, so hörte man es aus diversen Ecken der Burg. Es wurde gesungen, es wurde getanzt, die Burg war erfüllt mit Musik. Es war wieder Eurowoche. In diesem Jahr durften wir die Gruppe „Kud Salona“ aus Kroatien, die schon vor über siebzig Jahren gegründet wurde, zum ersten Mal auf der Burg begrüßen. Mit ihren Mandolinen verbreiteten sie ein sommerliches Gefühl von Meer und Urlaub.
Auch die Gruppe „Gelmel“ aus Belgien besuchte uns zum ersten Mal. Sie brachten uns die Tradition des Fahnenschwingens etwas näher. Außerdem zeigten sie eine sehr emotionale Choreografie über den Ersten Weltkrieg, die anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsendes im letzten Jahr kreiert wurde.
Unsere langjährigen Freunde von „Le Quadrille Occitan“ gehören mit bereits elf Teilnahmen sicherlich zu den Stammgästen der Eurowoche. Ihr Gründer, Jean-Louis, besucht uns bereits seit den 70er Jahren regelmäßig auf dem Ludwigstein. Leichtfüßig tanzten sie auf dem Bühnenboden. So leicht, dass sie gelegentlich abhoben.
Wir selbst, der Arbeitskreis Europäische Jugendwochen e.V., waren tänzerisch mit einer Kooperation aus unserer eigenen Gruppe, „Die Ludwigsteiner“ und Mitgliedern der „Hessischen Volkstanzfreunde“ vertreten.
Die weiteste Anreise jedoch hatten unsere Gäste der „Trinity Irish Dancers“ aus den USA mit ihren drei Musikern aus Irland. Neben traditioneller irischer Musik versetzten sie alle mit ihren wirbelnden Tanzschritten in Staunen.
Nach einem kurzen Kennenlernen und Eintanzen startete die Eurowoche mit einer mehr als gut besuchten Auftaktveranstaltung auf dem Witzenhäuser Marktplatz. Die Tänzer boten mit ihren schillernden Kostümen, dalmatischen Klängen und kräftigen Steptanzschritten schon mal einen Vorgeschmack auf die großen Abendveranstaltungen im Lauf der Woche. Die Stadt selbst feierte ihre jahrzehntelangen Partnerschaften mit Gästen aus dem englischen Filton und dem französischen Saint Vallier. Auch sie wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen und trugen sehr zur guten Stimmung an diesem Abend bei.
Nach einem weiteren gelungenen Auftritt in Fürstenhagen am Sonntag, wurde der Schlüssel zur Burg ausgegraben und der Geist der Eurowoche erweckt. Damit nahm eine sehr musikalische Woche ihren Lauf. Jede Gruppe gestaltet ihren eigenen Tag, der mit dem Wecken beginnt. Von mediterranen Mandolinenklängen, über eine französische Drehleier, bis hin zu Sankt-Martins-Liedern ist auch für den schlimmsten Morgenmuffel etwas dabei, um in die Gänge zu kommen. Alles ist in traditionellen Landesfarben geschmückt, wir lernen dalmatische Volkslieder, belgische Schlager und wie das französische Survivalkit aussieht, bevor es zu den Workshops geht. Beim Schmieden kleiner Schwerter, Improvisationstanz, Lindyhop, der Sport-AG und in der Kreativ-AG haben alle Gelegenheit sich näher kennen zu lernen und auszutauschen.
Musiker aus allen Gruppen versammeln sich nicht nur in der Orchester-AG. Den ganzen Tag über kann man Akkordeon, Geige oder Mandolinen spielen hören. Am Mittwoch, unserem Verschnauftag, erfüllen sie den Burghof mit Improvisationen sämtlicher Stilrichtungen und verbreiten eine einmalige Stimmung und Gänsehautgefühl. So verwundert es auch nicht, dass aus dieser selten guten Zusammenarbeit am Ende ein Eurowochenmedley mit Melodien aus allen teilnehmenden Nationen entsteht.
Unsere Chorleiterin Maartje, die bereits vor neun Jahren mit der Tanzgruppe „Holland Express“ die Eurowoche besuchte, motiviert nicht nur beim morgendlichen Singen, sondern auch in der Chor-AG alle Gesangsbegeisterten zu Höchstleistungen. Zusammen mit dem Orchester studieren sie dazu passend Queens „We are the Champions“ ein, welches sie auch bei der großen Abschlussveranstaltung präsentieren.
Die Nachmittage werden dann genutzt, um bei Kaffee, Waffeln und Eiscreme neue Kontakte zu knüpfen oder einfach nur verlorenen Schlaf nachzuholen. Gestärkt versammeln sich dann am Abend alle im Meißnersaal und versuchen sich an traditionellen Tänzen aus dem jeweiligen Land, bevor man bei den Abendveranstaltungen das volle Potential der Gruppen zu sehen bekommt und neue Facetten deren Kultur und Bräuche entdecken kann. Die Zuschauer und wir lernen einen kroatischen Dudelsack aus Ziegenhaut kennen, erfahren wie das Leben zur Jahrhundertwende in Flandern aussah und können nur staunen, wie schnell die Füße der Tänzer beim Irish Folkdance über den Tanzboden fliegen. „Die Ludwigsteiner“ mit den „Hessischen Volkstanzfreunden“ und der „Quadrille Occitan“ gestalten ihren Abend zusammen und zelebrieren die deutsch-französische Freundschaft mit einer gemeinsamen Eurokirmes. Den Rest des Abends verbringt man dann zusammen bei einem Umtrunk in der Klause und wir vertiefen unsere neugewonnenen Freundschaften.
Für sportliche Abwechslung sorgt die traditionelle Burgolympiade. Nach der eher nicht ernstzunehmenden Vereidigung wird bei verschiedenen Spielen Geschicklichkeit und Köpfchen gefragt. Unsere neuen Freunde aus Kroatien machen in diesem Jahr das Rennen und bekommen als Gewinn ein Eis und Küchendienst.
Leider geht auch diese Eurowoche viel zu schnell zu Ende. Wir versammeln uns auf dem Friedhof am Fuß des Burgbergs, um der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Und wir werden uns dem eigentlichen Zweck der Europäischen Jugendwoche bewusst. Denn nur indem wir Menschen zusammenbringen, können wir Vorurteile abbauen und zu einem friedlichen, einigen Europa beitragen.
Am Nachmittag geht es dann weiter mit der großen Abschlussveranstaltung. Das Publikum und wir bekommen Gelegenheit nochmal die Highlights aller Programme zu bestaunen. Auch wenn uns ein Regenschauer vorübergehend in den Meißnersaal treibt, tut das der guten Stimmung keinen Abbruch. Chor und Orchester zeigen zusammen, was man innerhalb dieser Woche gemeinsam leisten kann und der Saal wird erschüttert von einem irischen „Hey ya!“. Zum Schluss werden die Fahnen wieder eingeholt, die Kinder tragen das europäische Banner auf die Bühne und es erklingt noch einmal unsere Hymne „Viva Europa“. Damit endet der offizielle Teil. Am letzten Abend gibt es eine große Abschlussparty. Der Schlüssel und der Geist der Eurowoche werden sicher verwahrt und der Burghof verwandelt sich zur Disko. Alle tanzen und feiern bis spät in die Nacht hinein.
Am nächsten Morgen beginnt dann das große Abschiednehmen. Zahlreiche Tränen fließen und es wird klar, dass wir etwas richtig gemacht haben. Aus diesen verschiedenen Gruppen ist eine Gemeinschaft entstanden, eine wachsende Familie. Und das macht das Konzept der Europäischen Jugendwoche so einzigartig. Es ist mehr als nur ein Folklorefestival. Und wir, die Mitglieder des Arbeitskreises, sind sehr froh und auch ein Stück weit stolz dazu jedes Jahr aufs Neue beitragen zu können.

In diesem Sinne,
Hey Ya!
Und
Viva Europa!